Frühkastration bei Hund

 

 

Oft werden wir von Hundehaltern angesprochen und gefragt, wie wir zu dem Thema Kastration bei Hunden stehen. Immer öfter stellen uns Welpen und Junghundebesitzer diese Frage. Insbesondere Ersthundebesitzer haben berechtigterweise viele Fragen zur Erziehung aber auch zur Gesundheit, bzw. zu organischen Eingriffen. Wenn wir dann nachfragen, warum sie denn das Thema Kastration interessiert, bzw. aus welchen Beweggründen sie denn fragen, hören wir oft folgendes:

  • Damit der Hund „verspielt“ bleibt.

  • Damit eine Tumorgefahr gesenkt wird.

  • Damit die Hündin nicht Läufig wird (aus Gründen der Hygiene).

  • Weil der Hund dann schneller stubenrein wird.

  • Weil der Hund markiert.

  • Weil der Hund sonst dominant wird, bzw. aufreitet

  • Damit er sich besser mit anderen Hunden versteht.

  • und …und…

    Wir erhielten einen Anruf einer Hundehalterin, die um Hilfe bat, da Sie bei dem Verhalten Ihres Hundes nicht weiterkommt.

    So fing sie an zu erzählen, dass der Hund nicht stubenrein wurde. Beim Hund der Eltern aufritt und auch sonst sehr „Dickköpfig“ sei. Sie habe diese Problematik auch bereits mit Ihrem Tierarzt besprochen, der zu dem Entschluss kam, dass hier eine Kastration des Rüden erforderlich ist. Mal abgesehen davon, dass eine Unsauberkeit verbunden mit der Beschreibung der „Dickköpfigkeit“ und der damit verbundenen Unsauberkeit ganz klar auf eine Verhaltensproblematik / Erziehungsdefizite hinweist, macht dies einen organischen Eingriff völlig unnötig. In diesem Fall ist aber ein anderer Punkt noch viel schlimmer. Der Hund um den es geht ist gerade einmal 5 Monate alt!

    Der Halterin kann und soll man hier keinen Vorwurf machen, hat sie sich doch nur völlig richtig an eine „Fachperson“ gewandt. Der Tierarzt allerdings macht sich strafbar, weil er gegen §6 des Tierschutzgesetztes verstoßen hat!

    § 6 (1) Verboten ist das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen oder das vollständige oder teilweise Entnehmen oder Zerstören von Organen oder Geweben eines Wirbeltieres.

    Die Geschlechtshormone Testosteron (Rüden) und Östrogen (Hündinnen) sind wichtige Bestandteile des Knochenstoffwechsels. Diese Hormone fördern das Knochenwachstum während des Heranwachsens und sind maßgeblich am „schließen“ der Wachstumsfugen beteiligt. Ebenso benötigt der Körper diese Hormone um den Aufbau und vor allem um den Erhalt der Knochendichte aufrecht zu erhalten. Daher ist es sehr wichtig Hunde NIEMALS vor Vollendung des Wachstums zu kastrieren, sonst werden die ersten Weichen für kommende Knochenerkrankungen gestellt. Auch die Muskulatur im Wachstum benötigt Testosteron, dies sorgt für Muskelmasse und Muskelkraft.

    Das Fell benötigt Testosteron um eine ausreichende Talgproduktion zu gewährleisten, deswegen haben viele kastrierte Hunde, vor allem die, die vor Vollendung des Wachstums kastriert wurden oft ein glanzloses oder stumpf wirkendes Fell. 

    Zudem gehört die Testosteron Produktionsstätte zum endokrinen Drüsensystem, umgangssprachlich also zum Hormonsystem. Das Wort „System“ sagt eigentlich schon aus, dass alles zusammenspielt und sich gegenseitig beeinflusst. Daher kann es bei Frühkastrationen Störungen in anderen Bereichen des Hormonsystems geben, oft ist sind es die Schilddrüsen (Schilddrüse inklusive Nebenschilddrüsen) die betroffen sind. Eine Schilddrüsenfunktionsstörung kann also auch aufgrund einer Kastration entstehen und kommt gar nicht so selten vor wie man denkt. Testosteron ist ebenso Beschleuniger des Fettstoffwechsels. Ein Grund also warum ein Hund, der sonst immer schlank war, nach der Kastration zum Dicken mutiert.

    Ein sehr wichtiger Punkt aber ist, dass eine Frühkastration ein enormer Einschnitt in der geistigen Entwicklung ist. Testosteron sorgt dafür das ein kleiner Rüde zum erwachsenen Rüden wird, nicht nur körperlich, sondern vor allem geistig. Mit Vollendung des Wachstums ist aus einem kleinen Hund ein erwachsener Hund geworden, der sich durch die Produktion des Hormons auch verhalten kann wie ein erwachsener Hund. In Konfliktsituationen, beim Lernen und beim Interagieren im Rudel. Das ist enorm wichtig für die Psyche des Hundes. 

    Hunde die zu früh kastriert werden, werden oft von anderen Hunden nicht für voll genommen, schnell werden diese Hunde als „Opfer“ herausgepickt. Immer wieder hören wir die Aussage von Hundehaltern: „Mein Hund wird immer von anderen gemoppt und unterdrückt“, auf Nachfrage erfährt man dann meist das der Hund ein Frühkastrat ist. Wir denken wir brauchen nicht zu erwähnen wie schlimm das für den betroffenen Hund sein muss immer das „Opfer“ zu sein. Auch hier können tiefe Ängste und extrem Unsicherheiten anderen Hunden gegenüber entstehen.

    Und warum das alles? Weil es immer noch zu viele Tierärzte gibt, die sich Ihrer Verantwortung dem Tier und dem Menschen gegenüber nicht bewusst sind. Entweder wissen Sie es einfach nicht besser (In welchen Bereichen und bei welchen Tierarten gibt es solche oder ähnliche weitere Wissenslücken?!), oder aber Tierärzte „müssen“ Welpen und Junghunde operieren um Geld zu verdienen. Eine andere Erklärung können wir uns da leider nicht vorstellen.

    Wir raten jedem Hundehalter, dessen Hund auf Anraten des Tierarztes und ohne berechtigte organische Indikation operiert wurde / oder zur Operation geraten wurde, den betreffenden Tierarzt wegen Verstoß gegen das Tierschutzgesetzes anzuzeigen. Nur so kann sich etwas ändern und den Hunden und dessen Haltern in der Zukunft geholfen werden

     

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© Ralf Hartmann